Spielen bedeutet heute weit mehr als Unterhaltung; spielend begreift der Mensch die Welt. Davon erfasst ist auch die Logistik. Mithilfe spielerischer Verfahren lassen sich nicht nur echte Wertschöpfungsketten und Lieferprozesse professionell simulieren und damit besser verstehen, es existiert mittlerweile auch ein Videospiel-Subgenre, das sich auf unterhaltende Weise mit Aspekten realer Logistikabläufe befasst und diese ludisch interpretiert. Wir erkunden das spannende Feld der „Logistik-Spiele“ und geben einen Eindruck über ihre komplexen Formen.

 

Die Allgegenwärtigkeit des Spiels

Spielen ist ein allgegenwärtiges Phänomen und durchdringt nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Fast jeder spielt – und das heute jederzeit und überall. Als anthropologische Grundkomponente – der Mensch wird von manchen Kulturwissenschaftlern als „Homo Ludens“ [1] gefasst – prägt das Spielen den Alltag der Menschen und darüber hinaus seine Wahrnehmung der Welt. Spielend erschließt sich der Mensch seine Umwelt. In Form von (analogen) Brett- oder Kartenspielen und (digitalen) Videospielen bildet es außerdem einen relevanten ökonomischen Aspekt unserer gegenwärtigen Unterhaltungskultur aus. Aber auch abseits der unterhaltenden Aspekte findet das Gaming Eingang in den Alltag: Spielen ist längst viel mehr als bloßer Zeitvertreib – mithilfe spielimmanenter Logiken werden auch viele „seriöse“ Lebensbereiche angereichert und erschlossen.

(Video-)Spielen ist in Deutschland längst zum Massenphänomen avanciert, das alle Gesellschafts- und Altersgruppen inkludiert. Rund 54 Prozent aller Deutschen spielen zumindest gelegentlich Computer- und Videospiele [2] In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen beträgt der Anteil der Videospielenden sogar 89 Prozent, bei den über 65-Jährigen sind es noch 22 Prozent. Neben PCs und Spielekonsolen nutzen die Deutschen zum Spielen am liebsten ihr Smartphone. Frauen spielen übrigens fast genau so viel wie Männer: Knapp 52 Prozent aller deutschen Frauen spielen mindestens hin und wieder Videospiele. [3]Übrigens denken 56 Prozent der Deutschen, dass Videospiele dabei helfen, Wissen einfacher zu vermitteln. [4] Neben unterhaltenden Aspekten spielen also auch immer stärker didaktische Aspekte und der Wissenstransfer eine wesentliche Rolle bei der Betrachtung von Videospielen. Bild: Shutterstock.com/Dasian

Gamification

Der Fachbegriff für die Spielifizierung spielfremder Zusammenhänge lautet Gamification. Bei der Gamification werden spieltypische Elemente und Vorgänge – sprich: spielimmanente Logiken – auf „spielfremde“ Gesellschaftsphänomene wie etwa Arbeitsprozesse angewendet, um eine nachhaltige Verhaltensänderung und Motivationssteigerung bei Anwenderinnen und Anwendern zu erzielen. [5] So müssen etwa Aufgaben durch individuelle oder kollaborative Leistungen bewältigt werden, oder es werden Erfolge (Punkte, Preise, Achievements) beim Erreichen bestimmter Ziele ausgeschüttet. Gamification macht sich den natürlichen Spieltrieb des Menschen zunutze. Bisweilen mühsame Arbeitsprozesse werden über spaß- und erfolgsbringende Spielmechaniken attraktiver und motivierender gestaltet. Im Grunde zielt Gamification auf didaktische Zwecke ab: Mit der Spielifizierung von Arbeitsprozessen kommt es zu einer Auflockerung am Arbeitsplatz, mit dem Ziel sowohl individuelle als auch kollektive Leistungen zu verbessern.

Lange Zeit als bloßes Trend- und Mode-Buzzword des Marketings eingesetzt, findet die Gamifizierung in immer mehr Bereichen von Shopping und Fitness über betriebliche Anwendungen bis hin zu Lernumgebungen (z. B. Tools zum Spracherwerb) Anwendung. Damit hat sich abseits der Unterhaltungsbranche ein zusätzlicher mächtiger Industriezweig mit Gaming-Bezug entwickelt. Das Spannende: Seit Längerem werden bereits ganze logistische Arbeitsprozesse und Wertschöpfungsketten mithilfe von Gamifizierungsstrategien simuliert. [6] 

Unternehmen der Arbeitswelt 4.0 setzen bewusst auf Gamificationstrategien, bei denen Spielprinzipien in eine spielfremde Umgebung übertragen werden. Ein bekanntes Beispiel bildet die Einführung von Belohnungssystemen bei der Arbeit am Fließband oder der Kommissionierung. [7] Weiterhin kommen Spieldesign-Elemente wie Punkte, Abzeichen, Bestenlisten, Team-Bestenlisten, Leistungsgraphen, Narrativ und Avatar zum Einsatz, die der Förderung psychologischer Grundbedürfnisse der Belegschaft dienen. [8] Bild: Shutterstock.com/Song_about_summer

Logistiksimulationen

Bei Logistiksimulationen handelt es sich um ein Gamification-Phänomen innerhalb der Logistikbranche, bei dem betriebliche Zwecke im Vordergrund stehen. Damit werden logistische Prozesse wie Lieferkettenflüsse, Lagerlayouts oder die Transportplanung optimiert. [9] Logistiksimulationen bilden digitale Modelle logistischer Prozesse aus der physischen Welt, also sogenannte digitale Zwillinge, aus, die es ermöglichen, verschiedene Szenarien zu testen und zu optimieren, ohne den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen. Der Nutzen solcher Anwendungen liegt in der Analyse und Verbesserung potentieller Engpässe, Lieferketten, der Lagerhaltung, der Produktion und im Transport. Kurzum: Logistiksimulationen werden von Unternehmen als Werkzeuge eingesetzt, um reale Logistik-Prozesse in einem digital geschützten Rahmen zu erproben, bevor sie in die Praxis umgesetzt werden. Die erhobenen Daten werden genutzt, um reale Prozesse zu optimieren und fundiertere Entscheidungen zu treffen.

Die Vorteile von Logistiksimulationen liegen auf der Hand: Erstens bieten sie eine verhältnismäßig einfach durchführbare Analyse der Logistik-Prozesse in einer risikofreien digitalen Umgebung, so dass Änderungen und Optimierungen der Abläufe durchgeführt werden können, ohne den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen. Zweitens dienen Simulationen der Prozessoptimierung: Sie können helfen, Engpässe zu identifizieren, Prozesse zu optimieren und die Effizienz der Lieferkette zu steigern. Drittens senken Logistiksimulationen die Kosten. Durch die Prozessoptimierung mithilfe entsprechender Tools können unnötige Kosten vermieden und Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Viertens ermöglichen derlei Simulationen eine bessere Planbarkeit für die Unternehmen. So ermöglichen sie, zukünftige Herausforderungen vorherzusehen und entsprechende Maßnahmen besser zu planen. Bekannte Beispiele für logistikspezifische Simulationstools sind AnyLogic, Plant Simulation und SIMIO.

Logistiksimulationen wie SIMIO oder AnyLogic werden von Logistikunternehmen zur (prophylaktischen) Analyse und Optimierung ihrer Logistik-Prozesse eingesetzt, indem sie digitale Prozesse mit realweltlichen Parametern durchlaufen lassen. Bild: Shutterstock.com/Dejan Sarec

Im Ganzen stellen Logistiksimulationen wertvolle Werkzeuge für Unternehmen und Betriebe dar, um logistische Prozesse „spielerisch“ zu optimieren und ihre Lieferketten effizienter zu gestalten. Mit Softwaretools wie SIMIO oder AnyLogic lassen sich Logistik-Szenarien wirksam und prophylaktisch testen und analysieren. Dadurch können Risiken minimiert, Kosten gesenkt und im besten Fall die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Aus spielerischer Sicht verfolgen solche Simulationen eindeutig didaktische Zwecke und dienen weniger der Unterhaltung. Sie sind dem betrieblichen Nutzen für Unternehmen und deren Zielen untergeordnet. Ganz anders sieht das bei Videospielen aus, die Logistikbezüge bewusst unter unterhaltenden Gesichtspunkten interpretieren.

 

Simulationsspiele

Simulationsspiele bilden ein eigenständiges Videospielgenre, in dem reale Prozesse durch digitale Berechnungen, d.h. Simulationen, nachgebildet werden. [10] Simulationsspiele wollen reale Sachverhalte möglichst originalgetreu wiedergeben – dazu gehören sowohl die audiovisuelle Nachbildung als auch logische Zusammenhänge, etwa Lieferketten, sowie das physikalische Verhalten von Objekten. Anders als bei Logistiksimulationen, die hauptsächlich zur Prozessoptimierung in Unternehmen eingesetzt werden (s.o.), dominiert in Simulationsspielen der Spielspaß das Geschehen. Simulationsspiele sind für eine breite Zielgruppe konzipiert und damit Teil der Unterhaltungskultur.

Kulturgeschichtlich finden Simulationsspiele in Planspielen [12] von Unternehmen ihre Vorläufer. Für die dortigen betrieblichen Zwecke wurden sie auch entworfen. Die rasante Entwicklung der Computertechnologie machte es jedoch bald möglich, auch komplexere Simulationen zu entwickeln. Durch die teure Herstellung waren derlei Simulationen jedoch auf die Forschung und das Unternehmertum begrenzt – erst mit der Durchsetzung von Heimcomputern wie dem C64 oder den ersten Spielekonsolen wie dem NES wurden Simulationen zunehmend spielerischer und unterhaltender gestaltet. 

Eine der ersten Simulationsspiele ist gleichzeitig auch eines der ersten Videospiele überhaupt: TENNIS FOR TWO von 1958. Mit Ausnahmen von Renn- und Sportspielen sowie Lebenssimulationen wie DIE SIMS (USA 2000) und Wirtschaftssimulationen wie CITY SKLYLINE (FIN 2015) bilden Simulationsspiele in der breiten Öffentlichkeit eher ein Nischenbewusstsein, wenngleich das Genre in Deutschland seit einigen Jahren boomt. (Bild: Wikipedia)

Einen echten Durchbruch erzielte das Genre 1989 mit dem Release von SIMCITY und dessen Ablegern, der Lebenssimulationsreihe DIE SIMS. Mittlerweile existieren aber auch viele andere Subgenres mit Simulationsbezügen, darunter Haustiersimulationen, Wirtschafts- und Aufbausimulationen, Städtebausimulationen, Militärsimulationen, Flugzeugsimulationen und Göttersimulationen. Besonders relevant für die hier behandelte Thematik sind aber Arbeitssimulationen.

In diesem Subgenre werden bestimmte Berufsbilder und Arbeitsplätze entweder in vereinfachter (LANDWIRTSCHAFTS-SIMULATOR 2025 (D 2024)) oder auf satirische Weise (JOB SIMULATOR (USA 2016)) dargestellt. Zwar steht bei solchen Simulationen eindeutig der Spielspaß im Vordergrund, doch häufig verfolgen die Spiele auch eine didaktische oder motivationale Komponente: Die Spielenden sollen durch die Simulationen in den jeweiligen Beruf hineinschnuppern und im Idealfall sogar für diesen begeistert werden. Gerade in Deutschland ist ein regelrechter Boom [13, 14, 15] um Arbeitssimulationen entstanden. Allen voran die LANDWIRTSCHAFTS-SIMULATOR-Reihe erzielt große Erfolge. Über die Gründe für diesen Erfolg kann nur spekuliert werden.

Immer häufiger werden Arbeitssimulationen von Unternehmen zur Akquise oder Ausbildung von Mitarbeitenden eingesetzt. Simulationen wie die db.jobs experience der Deutschen Bahn oder der FLIGHT SIMULATOR (USA seit 1982) von Microsoft geben einen spielerischen Einblick in verschiedene Berufsfelder. Die simulierten Tätigkeiten werden meist in nur vereinfachter Weise dargestellt und die Interaktion gestaltet sich häufig weniger komplex als bei den Ausübungen im wirklichen Leben. Bild: Shutterstock.com/Miguel Lagoa

Die immer stärker werdenden technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte ermöglichten es, immer komplexere Simulationsspiele zu entwickeln. Bekannte Beispiele bilden der bereits erwähnte LANDWIRTSCHAFTS-SIMULATOR, der FERNBUS SIMULATOR (D 2016), der GARTEN SIMULATOR (D 2022), THEME HOSPITAL (GB 1997), THEHUNTER (SWE 2009) und die EMERGENCY-Reihe (D seit 1998). Simulationsspiele mit Logistikbezug profitieren von diesen technischen Innovationen in besonderer Weise. Durch moderne Game-Engines lassen sich mittlerweile ganze Wertschöpfungsketten spielerisch simulieren. Einige besonders ausgefallene Fälle werden nun betrachtet.

 

Simulationsspiele mit Logistikbezug

Simulationsspiele mit Logistikbezug richten sich sowohl an Logistik-Profis und an Logistik-Laien sowie an Vielspielende und Gelegenheitsspielende. Durch ihre Realitätsnähe sowohl in der audiovisuellen Umsetzung als auch bei der spielerischen Abbildung komplexer Prozessstrukturen, stellen sie anspruchsvolle Herausforderungen im Bereich des Logistikmanagements dar. Solche Spiele sind bei Spielenden vor allem für ihren hohen Anspruch an Authentizität und Komplexität beim Nachbau realer Logistiksysteme beliebt. Sie bieten faszinierende Einblicke in die Welt von Transport und Logistik und ermöglichen es, die Abläufe, Hintergründe und Strukturen der Branche interaktiv zu erleben. Ihr Unterhaltungspotential verdanken logistikbezogene Simulationsspiele dem psychologisch-intrinsischen Bedürfnis nach Ordnung und Optimierung der Spielenden, das sie ansprechen – etwa beim Streben nach der „perfekten“ Transport- und Warenlieferkette. 

Der Markt für diese Spielesparte ist mittlerweile sehr unübersichtlich geworden. Eine Vielzahl an Logistik- und Transportmanagementsimulationen buhlt mittlerweile um die Gunst der Spielenden: Ob Luftfracht, Seefracht, Straßen- und Schienentransport oder Lagerhaltung – nahezu alle Logistiktypen und -vorlieben werden softwareseitig bedient und bieten einzigarte Einblicke in die unterschiedlichen Themenwelten.

Ein Beispiel bildet die Transportmanagementsimulation TRANSPORT FEVER 2 (CHE 2019). Darin baut der Spielende über mehrere Jahrhunderte hinweg ein umfassendes Transportimperium auf, das sowohl Züge, Lkw, Schiffe als auch Flugzeuge umfasst. Der Spielende erlebt im Zeitraffer – und interaktiv – die Entwicklung verschiedener Verkehrstechnologien und Infrastrukturen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert nach. Dadurch entsteht ein Tiefenverständnis für logistische und infrastrukturelle Prozesse, das auch beim Verständnis realer Logistikprozesse Unterstützung leisten kann. 

In Transportmanagementsimulationen wie TRANSPORT FEVER 2 gestaltet der Spielende ein komplexes Transportnetzwerk aus Zügen, LKWs, Schiffen und Flugzeugen. Das Spiel erstreckt sich über mehrere Epochen und zielt auf den optimale Netzwerkausbau. Im besten Falle entsteht im Spielverlauf auch ein besseres Verständnis für die Transportlogistik und dessen komplexe Prozesse. Bild: Good Shepherd Entertainment

In eine ähnliche Kerbe schlagen Simulationsspiele wie TRANSOCEAN (D 2014), TRAIN SIM WORLD (GB 2017) oder der Städtebausimulator CITIES SKYLINES. Bei TRANSOCEAN handelt es sich um einen Reederei-Simulator, der die gewerbliche Seite der Schifffahrt (Hafenbetrieb, Schiffswartung, Frachtumschlag, Flottenmanagement, Finanzmanagement etc.) beleuchtet und den Spielenden damit vertiefende Einblicke in maritime Logistikabläufe gewährt. TRAIN SIM WORLD ist ein Zugsimulator, der den Betrieb von Personen- und Güterzügen beleuchtet. Wahlweise kann der Spielende dabei selbst als Zug- oder Lokführerin oder -führer agieren oder sich als Zugbegleiterin oder -begleiter verdingen. Das Spiel verfügt über einen vergleichsweise hohen grafischen Detailgrad und bildet reale Bahnbetriebe, etwa den der Londoner U-Bahn oder von deutschen Hochgeschwindigkeitsstrecken (inklusive authentischer Signalsysteme), ab. Als Subgenre der Wirtschaftssimulation, übernimmt der Spielende in fotorealistischen Städtebausimulationen wie CITY SKYLINES die Rolle des Stadtplanenden. Dabei ist man nicht nur für das Wachstum der Stadt, sondern auch für ein funktionierendes Verkehrs- und Versorgungsnetz verantwortlich – ein Aufgabenbereich, der zahlreiche logistische Herausforderungen mit sich bringt.

Als essentieller Teil der Spielerfahrung von Städtebausimulationen, ist der Spielende in CITY SKLINES 2 (FIN 2023) in der Rolle des Stadtplanenden auch für das Bauen von Verkehrsverbindungen verantwortlich. Mithilfe moderner fotorealistischer Engines werden dadurch Einblicke in infrastrukturelle Zusammenhänge einer Großstadt möglich. (Bild: Paradox Interactive)

Einen populären Sonderfall bildet das 2020 veröffentlichte Aufbausimulationsspiel FACTORIO. In einer eher schlicht gehaltenen Top-Down-Grafik muss der auf einem fremden Planeten gestrandete Spielende im Laufe des Spiels ein gigantisches Versorgungs -und Warentransportnetz aufbauen, um zu überleben. Dabei erstellt der Spielende eine vollständig autonom arbeitende Fabrik mit Fließbändern, Greifarmen und Montagemaschinen, die sich selbst versorgt. In Folge geht es darum, die Automatisierung immer weiter voranzutreiben, bis am Ende des Spiels eine komplexe und sich selbst erhaltende Produktionsanlage steht.[16] Die Faszination des Titels besteht in der ludischen Abstraktion der zugrunde liegenden, realen Wertschöpfungskettenlogik, die bereits unzählige Spielende dazu brachte, sich intensiv mit komplexen Logistikprozessen und -abläufen auseinanderzusetzen.

Das unter Spielenden populäre Independent-Aufbausimulationsspiel FACTORIO abstrahiert und popularisiert auf bislang unbekannte Weise das spielerisch-unterhaltende Potential, das Wertschöpfungs- und Warentransportprozessen zugrunde liegt. (Bild: Wube Software)

Fazit

Simulationsspiele mit Logistikbezug liegen im Trend – und das werden sie nach derzeitigem Stand noch bleiben. [17] Die vorausgegangen Beispiele zeigen, dass auf Seiten des Publikums eine hohe Bereitschaft besteht, sich spielerisch mit den hochkomplexen Prozessen der wirklichen Logistik auseinanderzusetzen – und das gilt auch für die nicht-logistikaffine Spielerschaft. Der Grund dafür ist einfach: Simulationsspiele mit Logistikbezug erfüllen spielintrinsische Bedürfnisse nach Optimierung, Ordnung und logischer Geschlossenheit. Umgekehrt bieten sich logistische Abläufe und Prozesse hervorragend als Vorbild für logisch operierende Spielesysteme an. Es macht schlicht einfach Spaß, komplexe Wertschöpfungsketten oder eine raffinierte Transportinfrastruktur virtuell aufzubauen!

Abseits aller ökonomischen Faktoren – Strategie-, Management- und Aufbauspiele, wozu auch Simulationsspiele mit Logistikbezug zu zählen sind, boomen hierzulande [18] – bleibt aber abzuwarten, wie weit die Verschmelzung realweltlicher Prozesslogiken mit ludischen Regelsystemen und Gameplaymechaniken voranschreiten wird. Eine Wechselwirkung lässt sich aber bereits heute beobachten: Nirgendwo sonst ergänzen sich Unterhaltungskultur und „serious business“ so gut wir hier. Und durch die technologischen Entwicklungen in den nächsten Jahren, sind noch komplexere Simulationen realer Logistikprozesse in Videospielen zu erwarten.

Dabei dienen Simulationsspiele aber längst nicht nur der reinen Unterhaltung. Vielmehr können sie Begeisterung für Logistikprozesse erzeugen oder verstetigen. Damit erfüllen sie – zumindest in Teilen – auch eine didaktische Funktion: Mithilfe von Simulationsspielen lassen sich logistische Zusammenhänge und Strukturen leichter erfassen und verstehen. Gerade für Logistik-Laien eigenen sich derlei Spiele hervorragend als Sprungbrett in die analoge Logistikwelt. Im günstigsten Fall – und das wäre noch näher zu untersuchen – könnten solche Spiele sogar zur langfristigen Gewinnung von Fachkräften für die Logistikbranche beitragen.

Es bleibt eine offene Frage: Wie weit kann die Verschränkung aus Logistikbranche und Unterhaltungs-/Spieleindustrie gehen und wie lässt sie sich möglichst effektiv gestalten? Denkbar wäre, echte Logistikexpertinnen und -experten sowie Game-Designer systematisch in einen Dialog zu bringen. Davon könnten beide Seiten profitieren: Die Games-Wirtschaft, die den Wert und die Strukturen von Logistikprozessen als Kernmechanik für ihre unterhaltenden Medienprodukte noch besser zu verstehen lernt und die dabei die komplexen Entwicklungen der Logistik wie den Kombinierten Verkehr oder die Automatisierung von Prozessen inhaltlich noch besser integrieren kann. Und die Logistikbranche, die durch die Popularität solcher Spiele mehr Aufmerksamkeit für die eigenen Belange generiert und die Logistik-Profis von morgen auf unterhaltsame Weise an zentrale Themen und Herausforderungen der Branche heranführt.