„Der größte Hebel zur Minderung von Feinstaub ist die Vermeidung an der Quelle“, sagt Experte Prof. Dr. Alexander Vogel
Die Belastung mit Feinstaub gilt als gesundheitsgefährdend. Zu den wichtigen von Menschen verursachten Quellen zählt der Verkehr. Was ist Feinstaub? Wie entsteht er? Und vor allem: Wie lässt sich die Belastung durch unsere Mobilität vermeiden? Wir haben Feinstaubforscher Prof. Dr. Alexander Vogel zu den unsichtbaren Luftpartikeln befragt.
HOLM-Blog: Herr Professor Vogel, laut Umweltbundesamt bezeichnet Feinstaub kleinste Teilchen in der Luft, die nicht so schnell zu Boden sinken. Was sind das für Teilchen, woher kommen sie und wie breiten sie sich aus?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Feinstaub bezeichnet in der Tat kleinste in der Luft schwebende Partikel [1], die sich mit der Bewegung der Luftmassen in der Atmosphäre verbreiten. Mit dem Auge sind diese Partikel nicht direkt zu erkennen, aber sie sind allgegenwärtig. Und das in beachtlicher Anzahl: Jeder Kubikzentimeter Luft, also die Größe eines Würfelzuckers, enthält mehrere tausend Partikel. Sie stammen aus unterschiedlichen Quellen: Man denke an den sichtbaren Rauch von Waldbränden oder Wüstenstaub. Dies sind Partikel, die direkt aus ihren jeweiligen Quellen emittiert werden – wir sagen dazu primäre Partikel. Sekundäre Partikel hingegen werden erst in der Atmosphäre durch chemische Prozesse gebildet. Neben den natürlichen Quellen von Partikeln ist die Verbrennung von fossilen Kraftstoffen oder die Holzfeuerung eine wesentliche Quelle von primären und sekundären Partikeln in der Umgebungsluft.
Die Verbreitung in der Atmosphäre kann über weite Strecken geschehen: Partikel aus kanadischen Waldbränden können bei entsprechenden Wetterlagen über Europa nachgewiesen werden. Oder der Transport von Saharastaub nach Deutschland war ja in diesem Frühjahr an mehreren Tagen durch intensiv rote Sonnenuntergänge auch deutlich sichtbar.
HOLM-Blog: Welche Quellen für Feinstaub sind in Deutschland besonders relevant? Welche Rolle spielt der Verkehr?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Das lässt sich nicht einfach beantworten. Es kommt darauf an, wann man sich wo aufhält, welche Quellen in der Nähe besonders dominant sind, und welche Art und Größe von Feinstaub man betrachtet. Die Jahreszeit spielt ebenfalls eine Rolle: Im Winter wird oft der Kaminofen angefeuert, die Motortemperatur und die Temperatur des Katalysators hat einen Einfluss auf die Emissionen, die Stärke der Strahlung der Sonne spielt eine Rolle im oxidativen Abbau der Schadstoffe, und die bodennahe Temperatur hat einen Effekt auf die Durchmischung der Luftmassen in der Atmosphäre.
Beim Verkehr sollte man grundsätzlich zwischen primärem Feinstaub, zum Beispiel Brems- und Reifenabrieb oder Ölemissionen im Abgas, und dem sekundären Feinstaub unterscheiden. In unmittelbarer Verkehrsnähe sind diese primären Emissionen dominant. Die Bildung des sekundären Feinstaubs, etwa über die Oxidation von gasförmigen Stickoxiden oder unverbranntem Kraftstoff, braucht Zeit und kann dementsprechend nicht mehr direkt einer Quelle zugeordnet werden. Die sekundären Feinstaubpartikel sind zudem oft kleiner als die primären Partikel. Dies wiederum hat zur Folge, dass die sekundären Partikel länger in der Luft schweben und sich somit sehr viel gleichförmiger über eine Region verteilen. Daher unterscheidet man auch die Messung der Immission im ländlichen und städtischen Hintergrund und an Verkehrsschwerpunkten, wo die Belastung am höchsten ausfällt.
HOLM-Blog: Wann wird Feinstaub zur Gefahr für den Menschen?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Es lässt sich mittlerweile belegen, dass die Belastung durch Feinstaub einen Einfluss auf die häufigsten Todesursachen hat: Die globalen Top 3 sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Schlaganfall und die chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Mit Einfluss meine ich, dass man aus epidemiologischen Untersuchungen weiß, dass die statistische Wahrscheinlichkeit an einer dieser Erkrankungen zu sterben mit der Exposition, also dem Ausgesetzt sein gegenüber Feinstaub der Klasse PM2,5 − Partikel kleiner als 2,5 µm − steigt.
Es ist wichtig zu betonen: Es gibt keinen Schwellenwert, bis zu dem es sicher ist, einer bestimmten Exposition ausgesetzt zu sein. Also: je sauberer die Luft, desto besser. Der kausale Zusammenhang dieser Erkenntnis ergibt sich daraus, dass Partikel dieser Größe über die Lunge in die Blutbahn gelangen, sich diese dann im gesamten Körper verbreiten und sogar von Zellen aufgenommen werden können. Bestimmte reaktive Stoffe lösen dann Entzündungsreaktionen aus mit denen die Zellen zu kämpfen haben. Von manchen dieser Stoffe weiß man auch, dass sie die Entstehung von Krebs begünstigen, wie die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Dies sind Moleküle, die bei fast allen Verbrennungsprozessen freigesetzt werden.
HOLM-Blog: Wer ist besonders betroffen?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Besonders betroffen sind Menschen, die hohen Feinstaubkonzentrationen freiwillig oder unfreiwillig ausgesetzt sind. Das ist zum Beispiel beim Zigarettenrauchen oder bei der Arbeit in hoch belasteter Umgebung zum Beispiel beim Schweißen oder im Straßenbau der Fall. Zigarettenrauchen lässt sich vermeiden und bei Aerosolen am Arbeitsplatz gibt es in der Regel persönliche Schutzausrüstung oder Absaugvorrichtungen. Die Stadtbevölkerung ist vom Feinstaub aus dem Verkehr insbesondere an solchen Tagen stark belastet, an denen die meteorologischen Bedingungen wenig Luftaustausch ermöglichen und während der Rushhour viele kalte Motoren (mit Katalysatoren, die noch nicht auf Betriebstemperatur sind) unterwegs sind. In ländlich geprägten Gebieten hat man auch oft ungünstige Situationen, beispielsweise im Winter, wenn man selbst oder der Nachbar den Holzofen anfeuert.
HOLM-Blog: Wie hat sich der Feinstaubgehalt durch unsere Mobilität in den letzten Jahren entwickelt?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Für städtische, verkehrsnahe Standorte kann man deutlich einen positiven Trend der Partikelbelastung durch PM2,5 feststellen. In Frankfurt, am Immissions-Messstandort Friedberger Landstraße, hat sich beispielsweise über die letzten 10 bis 15 Jahre die Belastung auf ungefähr 10 µg/m3 halbiert (jährlicher Mittelwert). Der gesetzliche Grenzwert der Immission beträgt 25 µg/m3 im jährlichen Mittel. Im Gegensatz zu den Grenzwerten für Stickoxide liegt damit die Belastung durch Feinstaub im gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Allerdings muss ich betonen, dass in den neuesten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation 5 µg/m3 für PM2,5 empfohlen wird – begründet durch die oben erwähnte Erkenntnis, dass es für PM2,5 keinen Schwellenwert gibt.
Der Grund für die positive Entwicklung in verkehrsnahen Bereichen liegt unter anderem in der Entwicklung der Abgasreinigung durch Katalysatoren, welche unverbrannte Kohlenwasserstoffe in Kohlendioxid und Wasser sowie Stickoxide in Wasser und Stickstoff umwandeln. Somit werden weniger Gase emittiert mit der Folge einer verringerten sekundären Bildung von Partikeln und Ozon. Und auch Partikelfilter in Diesel- und Benzinmotoren sind zweifelsohne mit für den positiven Trend verantwortlich.
HOLM-Blog: Welche positiven Veränderungen sind zu erwarten, etwa durch alternative Antriebstechnologien? Wird der Umstieg auf Elektromobilität mit einer Verringerung der Feinstaubemissionen einhergehen?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Die Einführung der Elektromobilität ist aus lufthygienischer Betrachtung sehr zu begrüßen. Die Elektrifizierung ist sicherlich die vielversprechendste Lösung, um Emissionen des Individualverkehrs zu minimieren. Dies bedeutet die Elimination der Feinstaubemissionen aus der wesentlichen Quelle der Verbrennungsmotoren. Jedoch muss man kritisch betrachten, dass die Autos immer schwerer werden, was eine Erhöhung der direkten Emissionen durch Brems- und Reifenabrieb zur Folge haben dürfte.
Alternative Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels oder Biofuels, sind dagegen aus lufthygienischer Sicht eine Niete. Zwar bilden Biofuels weniger primäre Partikel, die Bildung von sekundären Partikeln bleibt jedoch auf annähernd gleichem Level. Dies hat eine neue Studie an einer modernen Flotte von Stadtbussen in Göteborg ergeben. [2]
HOLM-Blog: Welche neuen Lösungen gibt es, Feinstaubemissionen aus dem Bereich Verkehr zu minimieren? Woran wird geforscht?
Prof. Dr. Alexander Vogel: Auch zu ultrafeinen Partikeln wird derzeit viel geforscht. Aufgrund ihrer geringen Größe, kleiner als 0,1 µm, tragen sie zwar nicht zu der Partikelmasse bei, sind jedoch dominant im Hinblick auf Partikelanzahl und ihrer Oberfläche. Für die Gesundheitswirkung ist die Oberfläche von Partikeln eventuell sogar relevanter als die Partikelmasse, da die Oberfläche von Partikeln für Entzündungen oder die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies in Zellen verantwortlich ist. Zu der chemischen Zusammensetzung dieser besonders kleinen Partikel weiß man noch nicht genügend – daran forschen wir.
Im Verkehrssektor werden ultrafeine Partikel insbesondere von Flugzeugturbinen emittiert. Das Problem bei Turbinen ist, dass eine Abgasnachbehandlung aus offensichtlichen Gründen nicht erfolgen kann. Denn die Triebwerke sind auf Effizienz im Flugbetrieb optimiert und nicht auf geringe Partikelemissionen bei Bodenbetrieb. An der chemischen Charakterisierung von Partikeln rund um den Frankfurter Flughafen wird derzeit geforscht. Hierbei konnten wir bereits zeigen, dass die Emissionen von Triebwerkschmierölen eine wichtige Quelle für ultrafeine Partikel sind. [3]
HOLM-Blog: Neben einer Reduzierung der Emissionen, gibt es vielversprechende Lösungen, Feinstaub aus der Luft herauszufiltern? Etwa durch Gebäudefassaden, Stadtbegrünung oder anderer Filtermethoden?
Prof. Dr. Alexander Vogel: In der Vergangenheit bestand die Hoffnung über photokatalytische Oberflächenanstriche mit Titandioxid die Stickoxid-Problematik in den Griff zu bekommen. Meines Wissens wurde daraus nichts. Im Stickoxid-Skandal, Stichwort Dieselgate, hat sich jedoch gezeigt, dass die Vermeidung an der Quelle der größte Hebel zur Minderung von Emissionen ist.
Filtermethoden für Partikel sind aus meiner Sicht besonders für Innenräume geeignet – neben der Filtration von Partikeln aus der Außenluft hat dies auch den positiven Nebeneffekt der Filtration von Viren. Für die Außenluft kenne ich jedoch keine Demonstration, wo beispielsweise Moose an Hauswänden die Partikelimmission signifikant reduzieren. Eine Maßnahme, die schnell und kostengünstig umsetzbar wäre, ist die Senkung auf 30 km/h innerorts – mit dem positiven Nebeneffekt von weniger Lärm, sichererem und gleichmäßigerem Verkehr. Die Studienlage zu dem Effekt auf die Änderung der Belastung durch Stickoxide und Partikelemissionen durch eine solche Maßnahme ist jedoch dürftig und teils widersprüchlich. [4]
HOLM-Blog: Vielen Dank für das Gespräch.
Quellen
[1] Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm. (Quelle: Umweltbundesamt)
[2] Liyuan Zhou et al., 2024: Primary and secondary emissions froma modern fleet of city buses
[3] Florian Ungeheuer et al., 2022: Nucleation of jet engine oil vapours is a large source of aviation-related ultrafine particles
[4] Dr. Suzanne Bartington, Dr. Stephanie Lacey, Institute of Applied Health Research at the University of Birmingham, 2023: Reducing motorway speed may improve air quality – but more real-world studies are needed
Informationsangebot des Umweltbundesamts
Die Internetseite des Umweltbundesamts hält ein großes Informationsangebot und aktuelle Daten bereit, darunter auch zur Luftqualität. Hier finden sich unter anderem Jahreskarten zur Luftschadstoffbelastungen wie Feinstaub oder auch die gemessenen Daten an einzelnen Messstationen.