Elektrisch angetriebene Verkehrsmittel sind längst keine Seltenheit mehr. Der Marktanteil von E-Autos steigt seit Jahren kontinuierlich an und betrug im August 2022 16,1 Prozent (Quelle: ADAC). Auch für E-Bikes ist die Nachfrage weiterhin hoch – im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund zwei Millionen elektrisch angetriebene Fahrräder verkauft, das entspricht einem Anteil von 43 Prozent am Gesamtmarkt (Quelle: Zweirad-Industrie-Verband). Und auch E-Scooter sind – vor allem in Großstädten – als fester Bestandteile der Mikromobilität nicht mehr wegzudenken. (Mehr zum Thema lesen Sie auch in unserem Blog-Beitrag „E-Mobilität in Deutschland – eine aktuelle Bestandsaufnahme mit Philipp Hellwig von CleanElectric“ vom September 2021).

Vergleichsweise ruhig ist es hingegen beim Thema E-Busse im öffentlichen Nahverkehr. Hinken Busse bei der Einführung von alternativen Antrieben hinterher oder täuscht der Eindruck? Maximilian Rohs ist Senior Manager im Bereich Infrastruktur & Mobilität bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und erstellt seit 2018 gemeinsam mit seinem Team jährlich den E-Bus-Radar, der Entwicklungen und Trends rund um die Elektrifizierung von Busflotten im ÖPNV beleuchtet. Der studierte Wirtschaftsingenieur ist überzeugt, dass sich beim Thema E-Busse in den kommenden Jahren einiges tun wird. Welche Gründe er hierfür sieht, welche alternativen Antriebsformen bei Bussen infrage kommen und welche Bundesländer bei der Bus-Umstellung an der Spitze stehen erläutert der 37-Jährige im Interview.

HOLM-Blog: In Ihrem Report schreiben Sie „Das Jahrzehnt des E-Busses hat begonnen“ – woran machen Sie diese Aussage fest?

Maximilian Rohs: Aufgrund der fortschreitenden Herausforderungen beim Umwelt- und Klimaschutz und dem bisher kaum zu erkennenden Beitrag, den der Verkehrssektor zur Erreichung der Klimaziele beiträgt, ist ein Umdenken im Mobilitätsbereich unumgänglich. Dies bedeutet zuallererst, dass wir eine starke Verlagerung von Verkehren aus dem motorisierten Individualverkehr auf den sogenannten Umweltverbund brauchen. Hier spielt der Bus als kollektives und flexibles Verkehrsmittel eine zentrale Rolle. Es gibt verschiedenste Angebotskonzepte für die unterschiedlichen Raumtypen, die sich vergleichsweise schnell umsetzen lassen – insbesondere auch im Vergleich zum Schienenverkehr, dessen ebenfalls dringend erforderlicher Ausbau aufgrund des Infrastrukturbedarfs deutlich längeren Vorlauf benötigt. Da wir aber jetzt handeln müssen, werden zumindest die 2020er-Jahre die Jahre des Busses werden. Und da auch im Busbereich die Antriebswende auf emissionsfreie Antriebe in vollem Gange ist, wird ein umweltfreundliches Verkehrsmittel zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz und das Jahrzehnt zum Jahrzehnt des E-Busses.

HOLM-Blog: Woran liegt es, dass die Umstellung seit 2020 deutlich schneller voranschreitet?

Maximilian Rohs: Dies hat mehrere Gründe. Zum einen zeigen sich seit 2020 die massiven Wirkungen der umfangreichen Förderprogramme für emissionsfreie Busse, die insbesondere der Bund aufgelegt hat. Das vorrangige Ziel dieser Förderung ist, den Markthochlauf herstellerseitig zu stimulieren und ein gutes Fahrzeug- und Infrastrukturangebot zu schaffen. Zum anderen ist seit letztem Jahr die „Clean Vehicles Directive“ in nationales Recht umgesetzt worden mit der Folge, dass öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung feste Mindestquoten für saubere und emissionsfreie Busse erfüllen müssen. Und nicht zuletzt formuliert auch die kommunale Ebene entsprechende Ansprüche an den ÖPNV, noch umweltfreundlicher zu werden. Dies alles führt aktuell zu einem exponentiellen Marktwachstum bei E-Bussen.

HOLM-Blog: In Ihrem aktuellen Report beleuchten Sie E-Busse der Fahrzeugklasse M3 – stehen diese im Fokus bei der Umstellung auf emissionsärmere Antriebe?

Maximilian Rohs: Die Fahrzeugklasse M3 umfasst Busse, die mehr als acht Sitzplätze haben und schwerer als fünf Tonnen sind. Hierunter fällt ein Großteil der heute im ÖPNV eingesetzten Busse, weshalb wir die Betrachtung auf diese Fahrzeugklasse fokussieren. Aber auch für kleinere Fahrzeuge der Zulassungsklassen M1 (höchstens acht Sitzplätze, keine Stehplätze) und M2 (mehr als acht weitere Sitzplätze außer dem Fahrersitz, maximales Gesamtgewicht von fünf Tonnen) gibt es regulatorische Vorgaben hinsichtlich der Dekarbonisierung, also der Reduzierung von Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz kohlenstofffreier und erneuerbarer Energiequellen. Diese sollten insofern auch bei den Planungen nicht außer Acht gelassen werden.

Portraitfoto Maximilian Rohs
Maximilian Rohs beschäftigt sich mit der zukunftsfähigen und nachhaltigen Ausgestaltung des Mobilitätssektors – insbesondere für die öffentliche Hand. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt dabei auf der Entwicklung von Dekarbonisierungsstrategien für öffentliche Fahrzeugflotten. Foto: privat

HOLM-Blog: Welche alternative Antriebsart ist bei Bussen derzeit am weitesten verbreitet? Wird sich diese Ihrer Meinung nach auch in Zukunft durchsetzen oder werden wir hier noch Verschiebungen sehen?

Maximilian Rohs: Aktuell sind Batteriebusse, die über Nacht im Depot geladen werden, am weitesten verbreitet. Batterieantrieb ist demnach derzeit die am weitesten verbreite E-Bus-Technologie. Aus unserer Perspektive zeichnet sich ab, dass der Batteriebus auch in den kommenden Jahren das Rückgrat der emissionsfreien Busflotte bilden wird, insbesondere in unseren Städten. Dies wird auch durch immer weiter steigende Batteriekapazitäten und energiesparende Fahrzeugkonzepte getrieben. Je nach Anwendungsfall komplettieren weitere Antriebstechnologien, wie der Batteriebus mit Gelegenheitsladung unterwegs und der Brennstoffzellenbus, das Spektrum.

HOLM-Blog: Welches Bundesland hat die Nase vorn beim Thema E-Busse?

Maximilian Rohs: Im aktuellen E-Bus-Radar liegen nach absoluten Zahlen der zugelassenen E-Busse Nordrhein-Westfalen, Hessen und die Stadtstaaten Hamburg und Berlin an der Spitze. Diese sollte man jedoch nicht isoliert betrachten, da hierbei auch die Größe und die Struktur der Bundesländer eine wesentliche Rolle spielen. Insofern ist eine Betrachtung im Verhältnis zur Einwohnerzahl beziehungsweise der jeweiligen Größe der gesamten Busflotte angemessener. Hier sind dann auch Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unter den führenden Regionen zu finden. Die weißen Flecken werden dagegen zunehmend geringer, so dass Elektrobusse deutschlandweit immer häufiger anzutreffen sind.

Abbildung Topstädte nach Anzahl der rein elektrisch betriebenen Busse
Momentan sind deutschlandweit 1.234 rein elektrischbetriebene Fahrzeuge in 116 Städten im Einsatz – davon 80 Oberleitungsbusse.Neben den mit Oberleitungsbussystemen ausgestatteten Städten Solingen,Esslingen und Eberswalde spielen reine E-Busse auch in ersten Vorreiterstädteneine zunehmend wichtige Rolle in den Busflotten. Abbildung:PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

HOLM-Blog: Vergleich E-Busse vs. E-Autos: Wo geht die Umstellung auf alternative Antriebe schneller voran, bei Bussen oder Autos?

Maximilian Rohs: Tatsächlich konnte der ÖPNV beim Anteil der emissionsfreien Fahrzeuge an den insgesamt zugelassenen Fahrzeugen in den letzten Jahren durchaus eine Führungsposition einnehmen. Mittlerweile hat das Auto hier aber stark aufgeholt. In den ersten Monaten des Jahres 2022 lag der Anteil vollelektrischer Pkw an den Neuzulassungen und bei Bussen auf nahezu gleichem Niveau. Hier bleibt die weitere Entwicklung also sehr spannend!

Vielen Dank für das Gespräch.