Auch wenn das Wachstum sich momentan etwas verlangsamt hat (Follmer, 2025): Die letzten Jahre zeigten einen deutlichen Trend zum Radfahren – auch befeuert durch die breite Verfügbarkeit von Pedelecs und E-Bikes. Gleichzeitig hat sich die Zahl der bei Fahrradunfällen verunglückten oder verletzten Personen auf einem hohen Niveau eingependelt.

Bei einem erheblichen Teil der Unfälle mit Unfallpartnern ist die radfahrende Person Verursacher des Unfalls (Dambeck, 2023). Alleinunfälle, bei denen neben einer nicht optimalen Infrastruktur eine nicht situationsgerechte Beherrschung des Fahrzeugs ausschlaggebend war, spielen eine immer größere Rolle (Francke et. al., 2024).

Um hier Abhilfe zu schaffen, bieten mehrere Anbieter wie der ADFC, der DVR oder auch der ADAC sogenannte Fahrsicherheitstrainings an, die Radfahrende dabei unterstützen sollen, ihre Fahrkompetenz zu verbessern.

 

Was bringen Fahrsicherheitstrainings?

Über den Nutzen solcher Programme für Radfahrende ist bisher wenig bekannt.

Die Studie SiFAr (Keppner et al, 2023) zeigte, dass Radfahrtrainings für Seniorinnen und Senioren die Anzahl der Fahrfehler im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant senken konnten. Allerdings wurden die Ergebnisse nicht im Realverkehr, sondern auf einem Trainingsparcours mit realitätsnahen Fahraufgaben ermittelt.

Fahrsicherheitstrainings im KFZ-Bereich sind nicht unumstritten, weil sie möglicherweise zu einer Überschätzung der Fahrkompetenz führen und Fahrende zu riskantem Verhalten ermutigen (z. B. Fastenmeier und Gstalter, 2000). Ob dieses Phänomen auch für Radfahrende zutrifft, ist bislang nicht erforscht.

Die hier vorgestellte Studie evaluiert Fahrsicherheitstrainings für Fahrräder und Pedelecs, die der ADFC Bayern anbietet. In diesem vierstündigen Gruppentraining wurden konkrete Fahrsituationen wie Anfahren, Bremsen, Abbiegen, Kurvenfahren oder Schalten mit dem eigenen Rad geübt.

Zwei Monate nach dem Training erhielten die Teilnehmenden einen Online-Fragebogen zu u. a. den folgenden Fragen:

  • Motivation: Warum hat die Person an dem Training teilgenommen?
  • Subjektive Sicherheit: Hat sich das Sicherheitsgefühl beim Radfahren durch das Training geändert?
  • Fahrhäufigkeit: Hat sich die Häufigkeit der Radnutzung seit dem Kurs verändert?
  • Kritische Fahrsituationen: Sind die Teilnehmenden seit dem Kurs in kritische Fahrsituationen gekommen?

Da die Befragung erst acht Wochen nach dem Training stattfand, hatten die Teilnehmenden ausreichend Zeit, die Kursinhalte in ihrer Fahrpraxis zu erproben und zu reflektieren. Von 310 angeschriebenen Personen beantworteten 145 den Fragebogen.

 

Wer besucht Fahrsicherheitstrainings und warum?

Mehr als drei Viertel der Teilnehmenden sind Frauen. Auch wenn die Kurse sich nicht explizit an Seniorinnen und Senioren richten: etwa 80 % der Teilnehmenden sind über 60 Jahre alt. Der Anteil der Personen, die mit Pedelec bzw. E-Bike unterwegs sind, beläuft sich auf rund 80 %.

Die Motive für die Anmeldung zu einem Fahrsicherheitstraining zeigt Tabelle 1.

 

Tabelle 1: Was waren Ihre Gründe für die Teilnahme am Training bei uns? Bitte kreuzen Sie alle Antworten an, die für Sie zutreffen.

| Motive: Gründe für die Kursteilnahme | Anzahl Zustimmungen | |--------------------------------------------------------------|---------------------| | Bestimmte Fahrsituationen, die ich besser beherrschen möchte | 100 | | Stürze und Unfälle kumuliert | 54 | | Ich habe mir kürzlich ein E-Bike oder Pedelec gekauft. | 53 | | Ich fühle mich allgemein beim Radfahren unsicher. | 43 | | Ich bin mit dem Pedelec gestürzt. | 31 | | Ich bin schon einige Jahre nicht mehr Rad gefahren. | 19 | | Ich bin mit dem Fahrrad gestürzt. | 9 | | Ich hatte einen Unfall oder Beinahe-Unfall mit dem Rad. | 8 | | Ich habe das Training geschenkt bekommen. | 7 | | Ich hatte einen Unfall oder Beinahe-Unfall mit dem Pedelec. | 6 | | Ich will mir ein E-Bike oder Pedelec kaufen. | 1 | | | |

Erläuterung: Mehrfachantworten möglich, sortiert nach der Häufigkeit der Zustimmung zum jeweiligen Grund.

 

Es zeigt sich, dass viele der Teilnehmenden ganz konkrete Fahrsituationen vor Augen hatten, die sie im Kurs üben wollten. Auf Nachfrage wurden am häufigsten Kurvenfahren genannt, gefolgt von Bremstechniken sowie Anfahren und Anhalten.

Sturz- oder Unfallereignisse waren ebenfalls häufig genannte Gründe für die Teilnahme, ebenso wie die Anschaffung eines motorisierten Fahrrads.

 

Starke Zunahme an subjektiver Sicherheit beim Radfahren

Ein fehlendes Gefühl von Sicherheit ist einer der wichtigsten Gründe, die Menschen davon abhalten, mit dem Rad zu fahren. Ein steigendes Gefühl von Sicherheit erhöht demnach den Anteil der Radfahrenden am Verkehrsaufkommen (Jacobson & Rutter, 2012).

Über 80 % der Teilnehmenden fühlten sich beim Radfahren zwei Monate nach dem Training sicherer oder sogar viel sicherer. Aus Sicht dieser Personen ist damit die Zielsetzung eines „Fahrsicherheitstrainings“ vermutlich erreicht worden.

Tabelle 2: Subjektive Sicherheit beim Radfahren

| Antwortmöglichkeit | Anzahl Zustimmungen | |---------------------------------|---------------------| | Ich fühle mich viel unsicherer. | 1 | | Ich fühle mich unsicherer. | 2 | | Ich fühle mich gleich sicher. | 21 | | Ich fühle mich sicherer. | 98 | | Ich fühle mich viel sicherer. | 22 | | | |

Erläuterung: Antworten auf die Frage: „Wir wollen wissen, wie sich Ihr subjektives Sicherheitsgefühl beim Radfahren durch den Kurs geändert hat.“

Fahrradnutzung – Häufigkeit und Verkehrsmittelwahl

Die Teilnehmenden der Fahrsicherheitstrainings fahren häufig Rad. Über die Hälfte von ihnen ist mehrmals pro Woche mit dem Rad unterwegs, 90 % mindestens mehrmals im Monat.

Bei einem guten Drittel der Teilnehmenden führte die Teilnahme dazu, dass sie jetzt noch häufiger mit dem Rad unterwegs sind als zuvor (s. Tab. 3).

 

Tabelle 3: Häufigkeit der Fahrradnutzung nach dem Training

| | | Häufigkeit | Prozent | |--------------------|-------------------------------------------------------------------------------------------------------|-----------------------------|-------------------------------------------------| | **Gültig** | Fahre viel seltener
Fahre seltener
Fahre gleich oft
Fahre häufiger
Fahre viel häufiger | 1
2
91
44
6 | 0,7 %
1,4 %
62,8 %
30,3 %
4,1 % | | **Fehlende Werte** | | 1 | 0,7 % | | **Gesamt** | | 145 | 100,0 % | | | | | |

Erläuterung: Antworten auf die Frage: „Hat das Training einen Einfluss darauf, wie häufig Sie das E-Bike/Pedelec jetzt verwenden? Uns interessiert die Häufigkeit, nicht die Länge der Strecken, die Sie damit fahren.“

Aus verkehrspolitischer Sicht leisten Fahrsicherheitstrainings wie die des ADFC Bayern einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung der angestrebten Mobilitätswende. In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass über 40 % der Antwortenden das Fahrrad nun auch gelegentlich für Fahrten einsetzen, die sie zuvor nur mit anderen Verkehrsmitteln (z. B. Pkw) absolviert hatten (s. Tab. 4).

Tabelle 4: Fahrradnutzung anstatt anderer Verkehrsmittel

| Gelegentlich wurde das Rad als Alternative
für folgendes Verkehrsmittel verwendet: | _n_ | % | |----------------------------------------------------------------------------------------|-----|--------| | Kfz | 45 | 31,0 % | | ÖPNV | 24 | 16,6 % | | Fußverkehr | 17 | 11,7 % | | | | |

Kompetenz-Erwerb: Neuigkeit, Grad der Umsetzung

Bei der Konzeption des Fahrsicherheitstrainings war es schwierig, einzuschätzen, welche der Inhalte möglicherweise schon bekannt waren und was für die Teilnehmenden tatsächlich neu sein würde.

Mit der in Abb. 1 gezeigten Item-Formulierung sollte einerseits die Neuheit einer Übung abgefragt, andererseits ermittelt werden, in welchem Umfang eine Person acht Wochen nach dem Training die jeweilige Fahrtechnik schon erfolgreich umsetzen würde.

 

Abbildung 1: Abfrage der Dimensionen „Neuigkeit“ und „Umsetzungsgrad“

 

Es zeigte sich, dass viele der vermittelten Fahrtechniken und Bewegungsmuster für eine unterschiedlich große Zahl der Teilnehmenden tatsächlich Neuland waren (s. Tab. 5). Selbst Fahrtechniken wie „Abbiegen mit Schulterblick und Handzeichen“ wurden immerhin von fast einem Drittel der Teilnehmenden als „ganz oder in Teilen neu“ erlebt.

Tabelle 5: Übungsinhalte, die als ganz oder teilweise neu erlebt wurden.

| War für mich ganz oder teilweise neu | _n_ | Zustimmung in % | |--------------------------------------------|-----|-----------------| | Sitzen | 103 | 69 % | | Kurvenfahren | 102 | 68 % | | Bremsen | 86 | 57 % | | Stehen | 64 | 43 % | | Aufsteigen und Anhalten | 53 | 35 % | | Schalten | 49 | 33 % | | Abbiegen mit Schulterblick und Handzeichen | 43 | 29 % | | | | |

 

Das Neulernen von Bewegungsabläufen erfordert Zeit. Daher wurde auf einer dreistufigen Skala gefragt, in welchem Umfang die Teilnehmenden die neu gelernten Inhalte jetzt schon umsetzen könnten (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Selbsteinschätzung durch Kursteilnehmende zur Beherrschung von für sie neuen Fahrtechniken; Mittelwert über alle sieben Fahrtechniken

Bei allen sieben Fahrtechniken wurde am häufigsten die Antwortalternative „Die Technik gelingt mir jetzt meistens“ ausgewählt. Ein vollständiges Beherrschen der modifizierten Bewegungsmuster wird zu diesem Zeitpunkt nur von etwa einem Viertel der Teilnehmenden erlebt.

 

Unfälle und Stürze

Es zeigte sich, dass immerhin 9 % der Antwortenden über Stürze oder Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden berichteten, die sie in den zwei Monaten seit dem Training gehabt hatten.

Elf der Vorfälle wurden als „Sturz ohne Fremdbeteiligung“ charakterisiert; dazu kamen jeweils eine Kollision mit einem Fußgänger, einem Radfahrer sowie einem Kfz. Ob Personen mehrere Sturzereignisse erlebten, wurde leider nicht erhoben.

Im zweiten Jahr der Studie wurde zusätzlich die Frage eingebaut, welche Folgen der Sturz oder Unfall für die Teilnehmenden hatte. Alle Personen, die von einem kritischen Ereignis berichteten, wählten hier die Option „keine weiteren Folgen“.

Eine weitere Analyse der Stürze war nicht möglich, da die Befragung anonym durchgeführt wurde und es keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu den Teilnehmenden gab.

 

Ausblick

Auch wenn sich über 80 % der Teilnehmenden nach dem Training sicherer beim Radfahren fühlten und viele von ihnen jetzt sogar noch häufiger mit dem Rad fuhren, bleibt die Frage, warum trotzdem mehrere von ihnen beim Radfahren stürzten oder mit anderen Verkehrsteilnehmenden kollidierten.

Momentan kann nicht eingeschätzt werden, ob das Fahrsicherheitstraining überhaupt einen Einfluss auf die Sturzhäufigkeit hatte. Vielleicht existiert kein Zusammenhang zwischen dem Training und der Häufigkeit der Sturzereignisse. Möglicherweise wären die Teilnehmenden ohne das Training häufiger gestürzt. Nicht auszuschließen ist aber auch das Gegenteil: Teilnehmende könnten durch die neu gelernten, aber noch nicht vollständig automatisierten Bewegungsmuster erst in die kritischen Fahrsituationen gekommen sein.

Daten mit Sturzereignissen einer Kontrollgruppe ohne Fahrsicherheitstraining liegen nicht vor und sind bei einer Studie, die Fahrten im Realverkehr zum Gegenstand hat, auch schwierig zu bekommen. Aus diesem Grund empfiehlt der Autor der Studie, bei zukünftigen Untersuchungen neben der schriftlichen Online-Befragung auf jeden Fall auch Interviews mit den Teilnehmenden zu führen, um die Auswirkungen der Trainingsmaßnahme noch besser abschätzen und sie ggf. noch anpassen zu können.