Paketlieferungen per Straßenbahn – neue Lösungsansätze dank ÖGNV
In Städten herrscht eine hohe Verkehrs- und Emissionsbelastung. Einen nicht unerheblichen Teil tragen dazu die Lieferverkehre bei. Derzeit arbeiten Logistiker*innen und Wissenschaftler*innen vielerorts an verschiedenen Ansätzen, wie die Lieferung auf der Letzten Meile nachhaltiger gestaltet werden kann.
Eine Lösung für die Reduktion des Lieferverkehrs in Städten heißt Öffentlicher Güternahverkehr (ÖGNV). Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) gilt zwar gemeinhin als umweltfreundlicher Verkehrsträger, wurde aber bisher kaum im Kontext von urbanen Güterverkehren berücksichtigt. Wie dies in Zukunft verändert werden kann, damit hat sich das Forschungsprojekt „ÖGNV – Öffentlicher Güternahverkehr: Kombinierter Güter- und Personentransport im öffentlichen Nahverkehr“ der Technischen Universität Darmstadt beschäftigt, das von Oktober 2020 bis August 2021 von der Innovationsförderung der House of Logistics and Mobility (HOLM) GmbH gefördert wurde.
„Die Thematik wurde wissenschaftlich bisher noch nicht umfassend betrachtet. Daher ist unklar, unter welchen Rahmenbedingungen und für welche Anwendungsfälle die Kombination von Gütertransport und Personenverkehr im Öffentlichen Nahverkehr überhaupt sinnvoll ist und welche ökologischen und ökonomischen Potenziale sich hierdurch ergeben“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Ralf Elbert vom Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der TU Darmstadt.
„Für uns stand daher im Fokus, zu untersuchen, wie ein in den ÖPNV integriertes Transportnetzwerk aussehen kann. Vor allem die Frage nach den Zugangs-, Umschlags- und Austrittspunkten der Pakete wollten wir betrachten“, erklärt Projektmitarbeiter Johannes Rentschler. Auch müssten passende Haltestellen ausgewählt werden, Lagerplätze verfügbar sein und Personal für den Umschlag bereitgestellt werden. „Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Umschlagsprozessen, da diese angepasst an die Personenbeförderung durchgeführt werden müssen und somit nur eine begrenzte Umschlagszeit und -kapazität zu Verfügung steht“, sagt Rentschler.
Zunächst hat das Projektteam die Straßenbahnlinien 11, 12, 16, 17, 18 des Frankfurter Nahverkehrs mathematisch modelliert und analysiert. Mittels dieses Modells wurde experimentell erforscht, unter welchen Voraussetzungen (z. B. Hubplatzierung, Linientakt) und für welche Nachfragestrukturen ein ÖGNV-Netzwerk als nachhaltige und zugleich wirtschaftliche Alternative zur Versorgung von urbanen Zentren mit Gütern eingebunden werden kann.
Im Ergebnis zeigte sich, dass ein gemeinsamer Transport von Gütern und Personen prinzipiell möglich ist. Am sinnvollsten stellte sich der Transport nach den Modellrechnungen in einem extra Anhänger dar. Aber auch der gemeinsame Transport von Personen und Waren in einem Anhänger ist prinzipiell möglich, jedoch nicht zu präferieren, da die vorrangige Behandlung der Passagiere den Warentransport erheblich beeinträchtigt, vor allem zu Stoßzeiten.
Die freien Kapazitäten konnten im Simulationsmodell genutzt werden, um täglich eine große Menge an Paketen zu transportieren, ohne den Personenverkehr zu beeinträchtigen. Außerdem wurde deutlich, dass aufgrund der kurzen Haltezeiten der Straßenbahnen zwei Personen zum Ein- und Ausladen der Pakete eingesetzt werden sollten.
Nach der theoretischen Machbarkeitsanalyse fokussieren sich die Wissenschaftler*innen nun auf Ansätze zur praktischen Umsetzbarkeit. Projekte hierzu laufen aktuell unter anderem auch in Zusammenarbeit mit dem HOLM.
Beteiligt waren an dem Projekt neben Prof. Dr. Ralf Elbert (Fachgebietsleiter) und Johannes Rentschler (Wissenschaftlicher Mitarbeiter) auch noch Jessica Schwarz (Wissenschaftliche Mitarbeiterin) und Gary Pichl (Masterand).