Flanieren, welches auf das französische Verb flâner (dt: ziellos herumlaufen oder umherstreifen) [1] zurückgeht, ist eine Art der fußbezogenen Fortbewegung, bei der eine Person ohne ein bestimmtes Ziel langsam spazieren geht oder umherschlendert. Flaneure sind Personen, die das meist planlose Spazierengehen auf besondere Weise genießen. Das Flanieren gerät damit zum reinen Selbstzweck: „Ein Rausch kommt über den, der lange ohne Ziel durch Straßen marschier[t]. […] [I]mmer geringer werden die Verführungen der Läden, der Bistros, der lächelnden Frauen, immer unwiderstehlicher der Magnetismus der nächsten Straßenecke […].“ [2]

Kulturgeschichtliche Aufmerksamkeit gewinnt der Flaneur als literarische Figur, die ziellos durch moderne Großstädte streift. Als „träumender Müßiggänger“ [2] tritt er als Antagonist der anonymen Menschenmasse auf. Der Flaneur treibt zwar durch die Menge und schwimmt mit dem Strom, nimmt aber anders als etwa der Spaziergänger, keine passive Rolle ein. Der Flanierende reflektiert seine Beobachtungen in den Straßen und wirkt damit auf andere Passanten hochnäsig und blasiert. Damit gewinnt der Flaneur eine gewisse Nähe zum lebensästhetischen Konzept des Dandys. [3]

Geschichtlich bildeten sich zwei Formen des Flaneurs heraus. Sein frühes Ebenbild findet der Flanierende im romantischen Bild des Wanderers, der die Natur emotional bewegt durchstreift und dabei deren Erhabenheit reflektiert. Demgegenüber prägte Walter Benjamin das Bild des modernen, ‚urbanen Wanderers‘, der eine Entwicklung weg vom romantischen Landschaftsgefühl, hin zur „romantischen Stadtschaft“ [4] entwirft. Dieser gehe vorwiegend in der Masse der Straße unter, um das soziale Geschehen rings um ihn genaustens zu beobachten. [5]

In seiner spezifischen Form der fußbezogenen Fortbewegung steht der Flaneur ganz in der Kultur des Gehens, die eine kritische Alternative zur mechanisierten Mobilität wie der Eisenbahn oder dem Automobil aufweist. Damit knüpft das Flanieren unmittelbar an die Tradition des Nachdenkens über das Spazierengehen, etwa bei Robert Walser [6], und die (pseudo-)wissenschaftliche Disziplin der Promenadologie [7] an.

Mit Aufkommen der postindustriellen Großstadt wird das Flanieren vereinzelt für beendet erklärt. [8] So betont Theodor W. Adorno, dass der immens beschleunigte Rhythmus moderner Großstädte das Gehen, und damit das Flanieren, verfremdet habe. Um mit dem Straßenverkehr moderner Metropolen mitzuhalten, sei es nötig, zu rennen, anstatt langsam zu gehen: „Spaziergang, Flanieren waren Zeitvertreib des Privaten […]. Mit dem liberalen Zeitalter stirbt das Gehen ab, wo nicht Auto gefahren wird.“ [9]

Trotz dieser Absagen bleibt der Flaneur in der gegenwärtigen Medienkultur als Figurentyp weiterhin produktiv.